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Das Nichts aushalten

Claudius Klein

Ich muß gestehen, daß ich die Frage eigentlich nicht mag. Wird sie in Arbeitskreisen, Seminaren oder ähnlichen Zusammenhängen gestellt, dann kann man Gift darauf nehmen, daß die Gesprächsteilnehmer schließlich darauf kommen, es sei eben das an der Zeit, was sie ohnehin tun. Der Versuch, diese Frage zu beantworten, kann aber auch dazu führen, daß man zum Trendsurfer wird, der hinter jeder Schaumkrone die Welle der Zukunft vermutet. In beiden Fällen liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Zeit eine Art Waschmaschinenprogramm sei, bei dem die Menschheit ausnahmslos gespült und dann geschleudert wird, und wer dann noch beim Einweichen ist, hat den Anschluß verloren.

Natürlich gibt es einen Zeitgeist, aber mit dem verhält es sich, wie mit der Individualität: wer individuell sein will, reproduziert meistens nur ein Klischee, das des Künstlers zum Beispiel. Ebenso sind gerade die stets auf dem neuesten Stand befindlichen Zeitgenossen – nun, vielleicht nicht unbedingt von gestern, aber zumindest von vorhin und nicht von jetzt. Denn damit der neueste Stand ein Stand ist, muß das Neuste erst festgestellt werden, und dann ist es schon nicht mehr ganz neu.

Was an der Zeit ist, das ist eben noch nicht da, nicht in der Zeit, im Strom des Werdens und Vergehens, sondern es steht an der Schwelle, und einer muß es hereinholen. Jeder kann jederzeit zu einem Durchgang werden, durch den Zukunft zur Gegenwart wird. Doch das setzt eine offene Tür voraus und die Fähigkeit, es zu erkennen, wenn etwas herein will. Wenn ich zu sehr damit beschäftigt bin, irgendwelche Pläne umzusetzen, dann geht das nicht. Dann sehe ich die Zukunft als Entwurf vor mir, als Projektion aus der Vergangenheit. Nur die Bereitschaft, nicht weiter zu wissen, das Nichts auszuhalten, bis daraus ein Etwas wird, läßt das, was an der Zeit ist, auch an uns herankommen.

Heutzutage, wo Lebensentwürfe zunehmend zum Scheitern verurteilt sind, ist diese Haltung wirklich an der Zeit.

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