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in 10 years we’ll still be on time...

Katharina Ludwig

Witten, 25. Juli 2007
Lieber Philipp,
Vor ein paar Tagen begann diese Frage: „Was ist an der Zeit?“ sich in meinem Kopf zu wiederholen. Ich hatte mich schon entschieden, dass ich nichts schreiben würde, denn sie schien zu groß, aber sie wollte nicht loslassen.
Was ist an der Zeit?
Diese Frage erwartet mich also, als ich aus Afrika zurückkomme.
Meine erste Reaktion: Die Frage lässt sich nicht beantworten.
Denke mal, wenn wir etwas fixieren, was uns hier, in unserem Leben, an der Zeit vorkommt, dann ist das in anderen Erdenteilen, wo Menschen mit ganz anderem Bewusstsein leben, schon wieder alles Quatsch. Oder habe ich einfach noch kein Vertrauen in das, was die Frage wirklich fragt?
Ich sage zum Beispiel, es ist an der Zeit, Verantwortung zu genießen.
Es ist an der Zeit, sich nicht für das, was andere getan haben, schuldig zu fühlen, jedoch aber das, was man selber macht, genau zu überprüfen, kurz: Bewusstsein!
Erzähle jedoch mal jemandem, der für seinen Lebensunterhalt stielt, dass es an der Zeit ist, Verantwortung für unsere Welt zu übernehmen.
Er wird Dir einen Vogel zeigen, und evtl. gleichzeitig Dein Handy klauen.
Was an der Zeit ist, kann ich das nicht nur für mich selbst sagen, für meine Welt? Leben andere Menschen nicht mit ganz anderen Dingen, die sie ihre Welt nennen? Sind dann nicht ganz andere Dinge für sie an der Zeit?
Ich komm nicht weiter.
Deine Katha

Basel, 27. Juli 2007
Lieber Philipp
Noch ein Versuch.
Wie also herausfinden, was an der Zeit ist?
Ich befinde mich in einem Wirrwarr von leeren Begriffen, zum Beispiel: „Begegnung“
Begegnung ist an der Zeit. Oder Beziehung? Ein schwacher Versuch... Begegnen sich Menschen nicht auch, wenn sie miteinander streiten? Gewalt ist auch eine Sichtbarmachung der Beziehung zwischen zwei Menschen. Oder sollte man es hier anti-Beziehung nennen?

Das, was lebt, wenn sich Menschen wirklich für einander interessieren, kann das die Antwort auf diese verflixte Frage sein? Aber was ist das? Wo Interesse besteht, kann viel passieren. Aber was passiert da? Wieder das Wort Begegnung! Was macht hier den Unterschied, zur Gewaltbegegnung? Interesse bringt eine Begegnung mit mehr Wahrnehmung mit sich. Wahrnehmung. Hier ist gemeint, den Menschen so zu erleben und akzeptieren, wie er ist, ihn also wahr zu nehmen (das gleiche Wortstück ist auch in der Wahrheit), und ihn nicht ändern zu wollen. Akzeptanz. Wenn ich so weiter mache komme ich bald bei der alles umfassenden Liebe an. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt bis Gott. Alles innere Werte. Geisteswerte. Kann das die Antwort sein? Eine der Antworten?
Ich weiß nicht,
vielleicht bald mehr...
Deine Katha

Wieder Witten, 28. Juli 2007
Lieber Philipp.
Mehr Gedanken, aber irgendwie gehen sie im Kreis.
Ist es an der Zeit, dass die Elite dieser Welt, der wir beide angehören, also diejenigen, die Zeit haben, sich Gedanken zu machen, was denn an der Zeit sei, endlich beginnt, für die, die keine Zeit dafür haben, weil sie täglich erneut bei Null anfangen, zu arbeiten? Innerlich? Äußerlich?
Meint: während ich hier sitze und dies schreibe sterben ein paar Kinder, der Rest hungert weiter, und ich frage mich, was ist an der Zeit? Brot für die Welt? Habitat for Humanity? Hört sich so an, als hätten wir nichts Besseres zu bieten.
Was ist also wirklich dran?
Deine Katha

Zwischen Soest und Dortmund, 29. Juli 2007
Lieber Philipp,
Was ist an der Zeit?
Ich hab keine Ahnung, und grade spielt irgendein Lied im Radio, „in 10 years we’ll still be on time...“ Da haben wir es auf Englisch, an der Zeit, on time!!
Liebe Grüße,
Deine Katha

Wieder in Basel, 31. Juli 2007
Lieber Philipp,
tagelang mit der Frage in mir, was ist an der Zeit?
Aus dem Wirrwarr der letzten paar Tage form sich ein ruhigeres Bild.
Ich bin nun seit einer Woche aus Südafrika zurück, dort habe ich mich weiterentwickelt im ständigen aufeinanderprallen von verschiedenen Kulturen, verschiedenen Verständnissen, Verschiedenheiten.
Was hat das mit mir gemacht? Mich gestärkt in dem, was ich glaube zu sein. Jung und voller Wille, jung und voller Kraft, jung, und voller Fehler, jung und trotzdem voller Verantwortungsbewusstsein.
Ich bin jung.
Was mache ich daraus? Alles, was geht. Suche den Weg, der sich richtig anfühlt (als junger Mensch ist es mir ja erlaubt, rein aus dem Fühlen zu handeln), gehe den Weg, der sich richtig anfühlt, und finde immer wieder Spiegelungen meiner Selbst, die mich meiner Selbst etwas mehr bewusst machen. Ich muss ja nicht perfekt sein. Wenn ich etwas vermassele heißt es, sie tut ja, was sie kann, sie ist ja noch jung ... und ein Auge wird zugedrückt.
Immer wieder strebe ich nach dem Festen, nach dem Ernsten, nach dem Effizienten, um aus dieser Haltung der Nachsicht meinen jungen Fehlern gegenüber zu flüchten. Mein Jungsein will alt werden, will fest werden. Jedoch ist es viel wertvoller, das Jungsein zu erhalten, aus ihm heraus zu sein, wie ich sein will, wie die Welt mich braucht, wie ich am besten bin. Denn Anpassung an das Alte wird der Welt nicht helfen! Passen die beiden überhaupt zusammen, jung sein und alt? Ist nicht das Ernste, das Erfahrene, das Verantwortungsvolle etwas, was das Alter sich zu schreibt, was aber nicht ihm allein gehört?

Täglich die Frage, was schreibe ich Philipp, was an der Zeit ist?
Hier ist was...
Es ist an der Zeit, das Jungsein ernst zu nehmen.
Da, wo mein Jungsein mir Fehler einräumt, weil ich ja noch jung bin, da werde ich den jungen Menschen reduziert. Plötzlich werde ich nicht als ganzer Mensch wahrgenommen. (Alten Menschen machen auch Fehler!)
Es ist an der Zeit, die Qualität des Soseins junger Menschen für voll zu nehmen. Ihre Impulse, ihre Geschenke an die Welt zu schätzen, wenn sie denn voller Wille und Kraft dargeboten werden!!
Junge Menschen, das bedeutet nicht nur vom Alter her jung. Manche Menschen sind schon alt aber noch jung. Alle die sind jung, die beweglich sind, die die Welt aus den Fugen heben wollen, sich ihr nicht kraftlos unterwerfen. Das Jung sein, dass ich meine, ist voller Wollen!! Dieses Wollen muss ernst genommen werden, sonst fehlt der Welt Entscheidendes.
Was mir an diesem Gedanken am besten gefällt ist, dass er sowohl hier, in Mitteleuropa, als auch in Afrika, in den Amerikas, in China und Ungarn gelten kann! Es ist nicht nur mein Gedanke, es ist ein Gedanke, der irgendwie universal wahr scheint. Weiß auch nicht, wo ich den gefunden habe, oder er mich.
Liebe Grüße
Deine Katha ‹

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