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Ein aktueller Begriff geistiger Gemeinschaftsbildung

Thomas Brunner, August 2007

Ein wesentliches Charakteristikum der modernen Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung kann damit gekennzeichnet werden, dass alle Verhältnisse einer zunehmenden Anonymisierung unterworfen sind. Die Ur-Wirtschaftsgesellschaften waren ja ganz unmittelbare (Selbstversorgungs- und dann Tausch-) Gemeinschaften. Mit dem Entstehen der Rechts-Gemeinschaften entstanden neue Ordnungen: die Anfänge der modernen Nationalstaaten und damit auch des modernen Geldwesens. Damit blühte der überregionale Handel auf. Die ursprüngliche Nähe von Produzent und Konsument löste sich immer mehr, die Arbeitsteiligkeit wurde zum Wirtschaftsprinzip. In gewisser Weise aber blieb ein Strang des alten naturgebundenen Wirtschaftens aktiv, in dem die Staaten (zuerst als Monarchien, dann als steuernde "Demokratien") nicht als reine Rechtsgemeinschaften gedacht wurden, sondern immer noch als Wirtschaftsgemeinschaften, also sozusagen als auf ein ganzes Volk erweiterte hierarchisch geordnete "Familien", d.h. Oligarchien. Diesen Status pflegen die Nationalstaaten im Grunde bis heute. Dies ist aber in einer Zeit, die längst als Weltwirtschaftsgemeinschaft arbeitet, ein offensichtlicher Anachronismus. Dazu kommt, dass sich mit der Zeit ein anderes Verhältnis zur Erde ausbildete, die Menschen machten sich die Erde nicht nur „untertan“, sondern sie verwirtschaftlichten auch Grund und Boden, indem Sie Eigentumsrechte an der Erde bildeten.
Was bedeutet es nun also die Staaten zeitgemäß weiter zu entwickeln? Offensichtlich doch wohl vorallem, dass die Staaten ihr eigenes Wirtschaften (d.h. ihr eigenes, durch Steuergelder, das soziale Leben-Lenken) überwinden. Dieses eigene Wirtschaften geschieht insbesondere durch Subventionen. Mit dem "Bedingungslosen Grundeinkommen" wird nun in gewisser Weise eine neue Art von Subvention geschaffen, da nicht mehr konkrete Zwecke und Institutionen subventioniert werden, sondern der einzelne Staatsbürger. Dieser einzelne Staatsbürger ist natürlich potentiell Menschheits-Mensch (=Individualität) und doch ist er ja als solcher noch gar nicht angefragt, sondern eben als Mitglied dieses einen Nationalstaates. Genau betrachtet überwindet das "Bedingungslose Grundeinkommen" den anachronistischen Status des nationalen Einheitsstaates als Wirtschaftsgemeinschaft im alten Sinne also NICHT, sondern manifestiert diesen Status sogar auf einer viel tieferliegenden Ebene.
Natürlich muss sehr gewissenhaft gefragt werden, in wie weit das „Bedingungslose Grundeinkommen" trotzdem zumindest ein Schritt in der richtigen Richtung ist. Dazu aber ist selbstverständlich notwendig zu wissen, was denn die richtige Richtung wäre. Was heißt es also konkret, den Staat als egoistisch wirtschaftendes "Sozialsubjekt" zu überwinden? Was heißt es also, das Individuum wirklich als Individualität zu erfassen? Kann diese Frage staatlich überhaupt beantwortet werden? Oder muss nicht vielmehr ein neues Gebiet der Selbstbesinnung des Menschen überhaupt erst gebildet werden, von dem aus dann die zeitgemäße Umgestaltung der Staaten ausgehen und auch ein wirklich zeitgemäßes transnational-assoziatives Wirtschaften impulsiert werden kann?

Diese Fragen lebensvoll gestellt führen in einen aktuellen Begriff geistiger Gemeinschaftsbildung und eröffnen einen Zugang in die Geschichte, das Wesen und den Menschheitsauftrag der Kunst...

Kunst, das bedeutet doch erst einmal sicher etwas, was nicht ohne den schöpferischen, gestaltenden Menschen da wäre.
Das gilt für die bildnerischen und musischen Künste in gleicher Weise wie für Begriffs-zusammenhänge, die eben auch nicht einfach vor-gefunden werden, sondern denkend im Bewusst-sein gebildet werden müssen. Letztendlich ist die gesellschaftliche „Gerechtigkeit“ eben auch kein „Naturerzeugnis“, sondern dafür der Ausdruck, ob oder ob nicht in genügender Weise in Zusammenhängen gedacht wird.
Friedrich Schiller war der Erste, der die künst-lerische Dimension des Denkens (und seine Anschaubarkeit) herausgearbeitet hat. In Hegels Ästhetik gibt es dann bereits die fünf Künste:
Architektur,
Plastik,
Malerei,
Musik und
Dichtung oder Begriffskunst.
Bei Rudolf Steiner kommt die Eurythmie und die „soziale Kunst“ dazu. In diesem Sinne spricht auch Joseph Beuys von der „Erweiterung des Kunstbegriffs“.
Andererseits ist die Kunst eine Methode:
mit Elementen, ob sinnlicher oder übersinnlicher Natur, zu „s p i e l e n“, d.h. nicht nur „Natur-gesetzen“ oder „Vernunftgesetzen“ einseitig zu folgen, sondern (mit den Worten Schillers):
„Stoff-“ und „Formtrieb“
im „Spiel“
eine Verbindung eingehen zu lassen
- sonst „zerfällt“ der Mensch und wird „Wilder“ („wenn seine Gefühle über seine Grundsätze herrschen“) oder „Barbar“ („wenn seine Grundsätze seine Gefühle zerstören“).
Schiller geht davon aus, dass das soziale Leben selbst eine künstlerische Aufgabe ist; insofern es hier gilt, verschiedene einseitige Kräfte-Wirkungen zum Ausgleich auf einer höheren Ebene zu bringen. Deshalb entwirft Schiller mit seinem „ästhetischen Staat“ eine gesellschaftliche Sphäre, die aus den jeweils individuell gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten, sowie den einsehbar-rechtlichen Notwendigkeiten als dritter gesellschaftlicher Bereich neben Wirtschaft und Staat gebildet werden muss.
„Gleich frei von der eiteln Geschäftigkeit, die in den flüchtigen Augenblick gern ihre Spur drücken möchte, und von dem ungeduldigen Schwärmergeist, der auf die dürftige Geburt der Zeit den Maßstab des Unbedingten anwendet, überlasse er [der „soziale Künstler“] dem Verstande, der hier einheimisch ist, die Sphäre des Wirklichen; er aber strebe, aus dem Bunde des Möglichen mit dem Notwendigen das Ideal zu erzeugen.“ (Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen, 9. Brief)
Dieser Methode entsprechend wird über hundert Jahre später Rudolf Steiner einen der zentralen „Kernpunkte der sozialen Frage“ beschreiben und damit einer zeitgemäßen Entwicklung der Zivilgesellschaft ihren wegweisenden Impuls geben:
„Eine Universalarznei zur Ordnung der sozialen Verhältnisse gibt es so wenig wie ein Nahrungsmittel, das für alle Zeiten sättigt. Aber die Menschen können in solche Gemeinschaften eintreten, dass durch ihr lebendiges Zusammenwirken dem Dasein immer wieder die Richtung zum Sozialen gegeben wird. Eine solche Gemeinschaft ist das sich selbst verwaltende geistige Glied des sozialen Organismus.“ (Rudolf Steiner, Die Kernpunkte der sozialen Frage, Vorrede und Einleitung, Dornach 1996, Seite 14)

In diesem Sinne ist es an der Zeit, wieder ein grundlegendes Verständnis für die soziale Bedeutung eines wahrhaft freien und sich zivilgesellschaftlich selbstverwaltenden Bildungs- und Kulturlebens zu erarbeiten – um den Übergang vom politisch-utopischen Denken zu wirklich sozialwirksamer künstlerischer Handlungsfähigkeit und daraus hervorgehender Gesellschaftsgestaltung zu finden.

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